Michele Imobersteg |

31. Januar 2023

Wie das Studium von AGB vor Risiken schützt

Regelmässig werden mit der Funktion «Copy & paste» die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB, AVB) der Konkurrenz kopiert und auf die eigene Webseite gestellt. Obwohl solche Dokumente urheberrechtlich nicht geschützt sind, kann dies ethisch hinterfragt werden. Gefährlich ist dieses Verhalten allemal. Denn AGB sollten auf den eigenen Betrieb mit den je eigenen Betriebsrisiken zugeschnitten werden.

 

Grosse Unternehmen unterhalten einen juristischen Stab, welcher sich professionell mit der Redaktion eigener und Prüfung fremder AGB befasst. Kleinunternehmen haben weder Lust noch die Zeit oder die Kompetenz, eigene AGB zu verfassen. Sie wollen auch nicht sich mit den täglich auf sie einwirkende AGB von Kunden oder Lieferanten beschäftigen. Erst wenn ein Schadenfall eintritt und auf die AGB verwiesen wird, da macht der KMU-Chef grosse Augen: In den AGB werden Nebenabreden verpackt, die sich hart und direkt auf die Geschäftsbeziehung auswirken.

 

Was sind AGB?

Zentral in einer Geschäftsbeziehung ist der Vertrag. Dieser entsteht, wenn der Lieferant sich verpflichtet, etwas zu liefern und der Kunde bereit ist, für diese Lieferung Geld zu bezahlen. Weil eine grosse Fabrik kaum in der Lage ist, mit jedem ihrer Lieferanten ein Geschäft per Handschlag zu vollziehen, bindet sie die Bestellung an ihre AGB. In diesen AGB wird beispielsweise das Verhalten bei einem Lieferverzug geregelt. Zu entdecken gibt es auch Klauseln, die das Abwerben des Personals des Lieferanten gutheissen. AGB sind vorformulierte Vertragsbedingungen, welche auf eine Vielzahl von Fällen zutreffen. Private Personen werden eher vor unangemessenen, Treu und Glauben widersprechenden Klauseln geschützt. Beispielsweise wenn Verträge automatisch um ein Jahr verlängert werden, wenn der Auftrag nicht innert einer vorher bestimmten Frist kündigen. Der Unternehmer im Geschäftsverkehr aber ist selbst verantwortlich für das, was er unterzeichnet.

 

Versicherungspolice und AVB

Ein Unternehmer kann Hobbies haben, so beispielsweise mit seinem Oldtimer ausfahren. Vermutungsweise gibt es aber wenige bis gar keine Unternehmer, die (freiwillig) die Allgemeinen Vertragsbedingungen zu den Versicherungspolicen lesen. Dies sollten sie aber tun. Vor Abschluss einer Versicherung muss ein Versicherungsunternehmen beziehungsweise sein Aussendienstler nicht nur über die in der Police notierten versicherten Risiken, sondern auch über den Umfang des Versicherungsschutzes informieren. Dieser Umfang legt die Einschränkungen fest in welchen die Versicherunggesellschaft keine Deckung gewährt. Die Deckungseinschränkungen sind ziemlich weit hinten in den AVB kleingeschrieben zu finden. Einerseits muss man den Mut haben, die vielen Seiten der AVB zu lesen. Anderseits muss man sie auch verstehen. Denn da verstecken sich einige Spitzfindigkeiten.

 

Beispiel: Spitzfindigkeit in der Autoversicherung

Die Versicherungsgesellschaft verweigert die Deckung im folgenden Fall: Ein Unternehmer fährt beruflich nach Mailand. Er checkt in einem gehobenen Businesshotel ein. Bei Ankunft übergibt er die Autoschlüssel einem Hotelangestellten, damit dieser das Fahrzeug in die Tiefgarage fährt. Im Nachhinein stellt sich heraus, dass dieser «Service»-Junge sich auf Nimmerwiedersehen mit dem Mercedes von Dannen gemacht hat. Mit der Versicherungsgesellschaft in der Schweiz entstand ein Streit darüber, ob sie den «verloren» gegangen Wagen zu ersetzen hatte. In den AVB der Versicherungsgesellschaft hiess es nämlich: Wir übernehmen bei Ausfall des versicherten Fahrzeuges wegen einer Panne, eines Unfalls oder eines Diebstahls die Kosten. Jeder Laie geht davon aus, dass dem Unternehmer das abhandengekommene Auto aufgrund des «Diebstahls» ersetzt wird. Strafrechtlich gibt es aber einen signifikanten Unterschied zwischen Diebstahl und Veruntreuung. Auf diesen Unterschied wird hier nicht näher eingetreten. Fakt ist, dass das Bundesgericht im vorliegenden Fall eine Veruntreuung erblickte. Der Schaden war somit nicht gedeckt.

 

Beispiel: Spitzfindigkeit in der Rechtsschutzversicherung

Während der Pandemiezeit hat ein Unternehmer einen Covid-19-Kredit bezogen. Das erste Jahr der Pandemie hat er beziehungsweise seine Firma überstanden. Das zweite Jahr nicht. Seine KMU ging Konkurs. Seit Jahren, wie üblich bei inhabergeführten Gesellschaften, führte dieser Unternehmer ein Kontokorrent auf der Passivseite seiner Bilanz. Die Covid-19-Verordnung verbietet bei Strafe die vollständige oder teilweise Rückzahlung eines Darlehens (was dieser Gesellschafter auch tat, um sich einen Teil seiner über lange Jahre zurückbehaltenen Löhne auszuzahlen). Prompt wurde er in eine Strafuntersuchung verwickelt. Er wandte sich an die Rechtsschutzversicherung. Diese wies die Kostengutsprache für eine Verteidigung (vorläufig) ab. Gemäss AVB würden die Versicherungsleistungen erst am Ende des Strafverfahrens rückwirkend ausbezahlt, sofern es durch rechtskräftigen Entscheid mit einer Nichtanhandnahme, einer Einstellung oder einem Freispruch endet.

 

Fazit:

Prüfen Sie die AGB Ihrer Lieferanten oder Kunden. Die für Sie wichtigen Klauseln betreffen meistens die «Gewährleistung» oder den «Verzug». Bei den Versicherungsverträgen lesen Sie die «Leistungsausschlüsse». Sollten Sie regelmässig mit vielen AGB konfrontiert sein, so delegieren Sie deren Prüfung an einen externen Juristen. Es lohnt sich.

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