Michele Imobersteg |

16. Januar 2021

Hilfe kommt, Rohan!

Rohan war bis 16. März mein Coiffeur. Trotz Staatshilfe übersteht er die Liquiditätskrise nicht. Für ihn war die Ungewissheit über die Dauer der Corona Krise das Schlimmste. Und sobald die ersten Schockwellen ausgestanden sind, wird gestritten. Was ist zu tun? Die griechische Tragödie folgt dem logischen Lauf der Dinge. Bei der Corona-Krise ist es auch so: Die Aufträge brechen weg, die Verschuldung nimmt zu, Kapital muss her und nach Corona ist man wieder Existenzgründer. Dieser Kreislauf wird (zu) viele an die Grenze ihrer seelischen und finanziellen Möglichkeiten treiben. So geschehen auch mit meinem Coiffeur Rohan. Er hat sich letzten Herbst selbständig gemacht. In den Ausbau des Ladens hat er seine Ersparnisse und sein Pensionskassengeld investiert. Mit Stolz und Freude hat er die fünfundzwanzig Franken für einen überdurchschnittlich guten Haarschnitt in die Kasse gelegt. Die Corona-Tragödie hat Rohan bis zum zweiten Akt ausgestanden.

 

Erster Akt

Die Aufträge brechen weg Sämtliche Messen in Europa wurden abgesagt. Eine Hundertschaft an Zulieferanten hat nichts mehr zu tun. Ein Messestand, der heute nicht gebaut ist, wird nie mehr gebaut werden. Eine Kettenreaktion von Auftragsstorni wurde wenige Stunden nach dem Versammlungsverbot am 28. Februar losgetreten. Einen mittelgrossen Messestand unter Zeitdruck aufzustellen ist wie ein Haus innerhalb von einem Jahr zu bauen. Vom Zeichner über den Schreiner zum Lichtdesigner: Dutzende Berufe begegnen sich in der Messehalle. Wenn ein Jahr lang keine Stände mehr gebaut werden, müssen sich diese Berufsleute anderweitig orientieren. Eine Branche löst sich auf.

 

Zweiter Akt

Die Verschuldung nimmt zu Die Umsätze sind urplötzlich weggebrochen und die pendenten Aufträge wurden flächendeckend annulliert. Die Löhne der Angestellten werden zwar vom Staat übernommen. Doch es bleiben immer noch Forderungen wie der Unternehmerlohn, die Fixkosten für Miete, Leasings und die Lieferanten übrig. Zwei Monate Krise lassen sich überstehen. Danach wird in Branchen wie dem Messebau Personal entlassen. Wenn die KMU bei einem grossen Liegenschaftsbesitzer eingemietet ist, dann kann, ja muss dieser nach einem Monat unbezahlter Miete das Mietobjekt kündigen. Vielleicht lässt sich mit dem Vermieter eine Lösung finden. Doch je länger die Krise dauert, je mehr türmen sich die unbezahlten Rechnungsbelege. In den Bilanzen gibt es keine Kontoposition, die «Geschenk» heisst. Nach Corona kommt die Zeit, in welcher alle rückständigen Rechnungen beglichen werden müssen. Sofern eine KMU seit jeher eine schwarze Null schreibt und gegen Liquiditätsengpässen kämpft, dann kommt sie zwangsweise gemäss Art. 725 Abs. 2 des Obligationenrechts früher oder später wegen Überschuldung nicht um die Deponierung der Bilanz herum.

 

Dritter Akt

Kapital muss her Der Bund hat für KMU finanzielle Unterstützungspakete in Aussicht gestellt. Eines davon ist die Kurzarbeitsentschädigung (Das Ausfüllen des Formulars war so kompliziert, dass auch ein ETH-Ingenieur damit Mühe hätte). Per Notverordnung wird den KMU mit bürgschaftlich abgesicherten Bankkrediten unter die Arme gegriffen. Diese Kredite wirken wie eine Kopfwehtablette während vier Stunden bei einer dreitägigen Migräne. Mit einem Kredit hat man die Firma ein paar Monate über die Runden gebracht, doch aus der Krise kommt sie hoch verschuldet wieder heraus. Die Notkredite müssen später über den Cashflow bedient werden. Im Klartext: Eine KMU wird während vieler Jahre ihren Gewinn opfern müssen. Vermutungsweise erhalten nur solche KMU das schnelle Geld von der Bank, welche auch in «normalen» Zeiten Geld bekommen. Tausende Betriebe begeben sich sehenden Auges in den Würgegriff der Banken. Es geht nicht anders.

 

Was ist zu tun?

Es geht nun um die operative Sanierung, um die «Zeit danach». Viele KMU-Betriebe werden nach Corona wieder zu Existenzgründern, denn viele werden personell und finanziell verkleinert. Später müssen die freigestellten Mitarbeiter/innen wieder zusammengesucht werden. Geschäftsprozesse, vor allem im Detailhandel, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit unter Wegbedingung des Menschen «digitalisiert». So auch viele Büroarbeitsplätze. Wir haben nun vier bis zehn harte Monate vor uns. Die Zeit der verordneten Untätigkeit sollten wir nutzen, um einen Ziel und Massnahmenplan für 2021 zu erstellen und die Mittel für dessen Umsetzung vorzubereiten. Hierzu gehören eine Um- oder Neupositionierung, die Anpassung oder Neuauflage der Homepage und des Prospektmaterials. Ebenso die Straffung oder Ausweitung der Dienstleistungen und Produkte. Oder die Planung von Messen in Verbindung mit einer regen Teilnahme an Netzwerken. Unternehmer, Unternehmerinnen: Wir müssen stark sein. Es gibt ein Leben nach Corona.

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