Michele Imobersteg |

28. April 2021

Die Unternehmenspacht als Alternative zum Kauf

Ist jetzt der beste Zeitpunkt, um eine Firma zu kaufen? Ja, unbedingt. Viele KMU kommen unverschuldet in Liquiditätsengpässe, obwohl ihr Geschäftsmodell charmant und die Qualität der Dienstleistungen unübertroffen ist. Nun fehlt entweder die Liquidität - oder der potenzielle Käufer.

 

Während beim herkömmlichen Verkauf einer KMU das Eigentum an derselben auf den Käufer übertragen wird, wechselt bei der Unternehmenspacht nur der Besitz die Hand. Der Vorteil dieses Handwechsels liegt darin, dass für Dritte der Übergang des Unternehmens auf eine andere Person nicht ohne weiteres erkennbar ist. So kommt dem Übernehmer (Pächter) bei der Fortführung des ihm bestens bekannten Unternehmens der Ruf und die Kreditwürdigkeit seines Chefs als Verpächter unmittelbar zugute. Für die Angestellte oder den Angestellten als Pächterin beziehungsweise Pächter ist der mit der Pacht verbundene Finanzierungsaspekt entscheidend. Der Vorteil der Unternehmenspacht besteht darin, dass ohne Kapitaleinsatz eine bereits arbeitende und auf Gewinnerzielung ausgerichtete Organisation, eine eingearbeitete Belegschaft sowie entsprechende Produktionseinrichtungen übernommen werden können.

 

Relevanz

Die Unternehmenspacht soll als Geschäftsmodell verstanden werden, dank welchem in grosser Zahl Kleinbetriebe vor der Liquidation gerettet werden können. 500‘000 Arbeitsplätze sind vom Generationenwechsel betroffen. An diesen Arbeitsplätzen hängen Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen, Lieferanten und Kunden. Über Jahrzehnte gewachsene Strukturen werden vernichtet, ohne dass neue generiert werden. Und die derzeitige Corona-Pandemie zeigt, dass Startups in arge Nöte geraten, weil Investoren sich zurückziehen. Dank der Unternehmenspacht können Tausende Betriebe, welche unverkaufbar sind, vor der Liquidation gerettet werden.

 

Die Nr. 2 im Betrieb als potenzielle Käuferin

Der oder die Nr. 2 arbeitet seit vielen Jahren im Betrieb. Der Betriebsleiter beispielsweise geniesst das volle Vertrauen des Patrons und der Arbeitskollegen. Diese Nr. 2 vertritt die Firma nach aussen, als ob es der Patron selbst wäre. Sie kann grössere Bestellungen tätigen, eine Autoflotte evaluieren, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen einstellen oder entlassen, die Buchhaltung führen oder im Verkehr mit Behörden sämtliche Geschäfte abwickeln.

 

Die Unternehmenspacht

Pacht riecht nach Bauernhof oder nach Gaststätte. Erst wenn der neudeutsche Begriff Leasing erwähnt wird, entsteht ein modernes Bild eines Vertragsverhältnisses, bei dem es um eine Sache geht, die einem zwar nicht gehört, jedoch auf Dauer genutzt (nicht verbraucht) werden kann. Zentral und wenig bekannt ist der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz. Diesen Unterschied hier im Detail zu erklären würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen. Sichtbar ist eine Art der Pacht bei einer geleasten Schleifmaschine. Der Hersteller der Maschine verkauft diese einem Finanzinstitut. Dieses «vermietet» die Maschine dem Leasingnehmer. Man benutzt (besitzt) die Maschine, gehören tut sie einem nicht.

 

Chancen und Risiken

Betrachtet man die Interessenlage bezüglich der Verteilung von Chancen und Risiken der geschäftlichen Entwicklung einer Unternehmung, so ist zwischen der Vertragslaufzeit des Pachtverhältnisses einerseits und der wirtschaftlichen Entwicklung nach Ablauf des Vertrages andererseits zu differenzieren: Da der Pächter, hier beispielsweise der Produktionsleiter, das Unternehmen auf eigene Rechnung betreibt, sind ihm grundsätzlich auch die Chancen und Risiken der geschäftlichen Entwicklung während der Pachtzeit zugewiesen. Der Verpächter bleibt dagegen bei der Vereinbarung einer festen Pachtgebühr während dieser Zeit grundsätzlich von der konkreten Entwicklung der gemeinsamen Firma unberührt; er trägt insoweit keine Risiken, kann jedoch anderseits auch nicht von einer besonders guten geschäftlichen Entwicklung profitieren. Zumal der Übergewinn dem Pächter zusteht. Allerdings haftet der Verpächter weiterhin im Aussenverhältnis, so dass er das Risiko der Insolvenz trägt.

 

Pachtzinszahlung, Gewährleistungsregelungen

Die Pachtzinszahlungen an den Eigentümer der Unternehmung können frei gestaltet werden. Entweder aufgrund eines regelmässigen fixen Betrages oder einer variablen Lösung. Entweder vom Umsatz oder vom EBIT oder vom Reingewinn. Typischerweise enthalten Unternehmenspachtverträge auch Regelungen hinsichtlich der Gewährleistung des Verpächters oder des Pächters, sollte die Firma durch den Pächter «an die Wand gefahren» werden. Teilweise finden sich umfassende Ausschlussklauseln. Üblich sind jedoch Regelungen dahingehend, dass der Pächter dafür einzustehen hat, dass sich das Unternehmen bei Übergabe in dem vertraglich beschriebenen Zustand befindet. Über die Verteilung eines Mehrwerts kann frei verhandelt werden. Sofern die übergebene KMU weiter erfolgreich wirtschaftet, kann auch über die Verteilung des entstandenen Mehrwerts (Kapitalzuwachs) frei verhandelt werden.

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